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Adipositas beim Hund
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Die kanine Adipositas ist eine chronische Erkrankung, die schwerwiegende Veränderungen verschiedener Körperfunktionen hervorruft und die Lebenserwartung der betroffenen Hunde verkürzt. Es handelt sich um die bei Hunden in den Industrieländern am häufigsten auftretende ernährungsbedingte Erkrankung, inzwischen gibt es jedoch wirksame Behandlungsmethoden. Die Prävention der Adipositas verlangt eine lebenslange Ernährungs- beziehungsweise Fütterungsdisziplin, insbesondere aber in bestimmten Schlüsselsituationen mit besonders hohem Risiko für Übergewicht. Die Behandlung der Adipositas wird durch verschiedene Probleme kompliziert, unter anderem durch das fehlende Problembewusstsein der Besitzer, die das Übergewicht ihrer Tiere oft nicht erkennen wollen oder seine Bedeutung herunterspielen. Ohne die uneingeschränkte Kooperation der Besitzer ist eine erfolgreiche Gewichtsreduktion bei einem adipösen Hund nicht zu erreichen. Die primäre Aufgabe des Tierarztes besteht also darin, zunächst den Besitzer von der Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen zu überzeugen. Erst danach ist die Einleitung diätetischer Maßnahmen zur Gewichtsreduktion und begleitender Behandlungsprogramme für adipöse Tiere sinnvoll.
Obgleich wir beim Hund verschiedene Stadien oder Grade von Übergewicht unterscheiden müssen, verwenden wir in diesem Kapitel den Begriff "Adipositas" für jegliche Form des Übergewichts. In diesem Kapitel befassen wir uns mit der De?nition von Adipositas, der Pathogenese, begleitenden Problemen, der Diagnose und Beurteilung, den unterschiedlichen Diätformen und schließlich der praktischen Behandlung dieser Erkrankung.
Marianne DIEZ
DVM, Ph.D, Dipl ECVCN
Marianne Diez ist Doktorin der Veterinärmedizin und Dozentin beim Service de Nutrition des Animaux Domestiques an der veterinärmedizinischen Fakultät der Université de Liège (Belgien), wo sie 1998 den Titel des PhD errang. Dr. Diez ist als Dozentin für allgemeine Ernährungslehre und Ernährung der Heimtiere tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit hat sie sich für die Entwicklung der Sprechstunde für klinische Diätetik eingesetzt. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten befassen sich allgemein mit der Ernährung des Hundes und im Speziellen mit diätetischen Fasern, Präbiotika und der kaninen Adipositas. Dr. Diez ist Autorin und Co-Autorin von etwa 80 wissenschaftlichen Artikeln und Diplomate des European College of Veterinary and Comparative Nutrition (ECVCN).
Patrick NGUYEN
MS, MA, HDR, Dipl ECVCN, FJC, Präsident des ECVCN
Patrick Nguyen schloss sein Studium 1977 an der Ecole Nationale Vétérinaire d'Alfort ab und arbeitete dort über einen Zeitraum von zwei Jahren als Assistent am Département de Nutrition, bevor er schließlich an die Ecole Nationale Vétérinaire de Nantes wechselte. Im Jahr 1982 erhielt er seine Agrégation im Fachbereich Ernährung und wurde zum Professor berufen. Prof. Nguyen erhielt die Habilitation für die Leitung der Forschungsabteilung an der Universität von Nantes und wurde Diplomate des European College of Veterinary and Comparative Nutrition (ECVCN). Von 1992 bis 1996 war Dr. Nguyen Beisitzer des Direktors der Ecole Nationale Vétérinaire de Nantes und ist dort seit 1996 Leiter der Unité de Nutrition et Alimentation. Darüber hinaus leitet er seit 2001 das Département de Biologie et de Pharmacologie. Zu seinem Verantwortungsbereich gehört unter anderem das Forschungs- und Lehrprogramm des Fachbereichs Ernährungslehre. Seine Hauptforschungsgebiete sind die Adipositas und die Insulinresistenz bei Heimtieren in Zusammenarbeit mit dem Centre de Recherche de Nutrition Humaine de Nantes. Darüber hinaus ist er an Forschungsprojekten über die Folgen der Kastration bei der Katze und die Verdauungsempfindlichkeit bei Hunden großer Rassen beteiligt. Prof. Nguyen verfasste bereits über 100 Veröffentlichungen und Vorträge. Seit 2004 ist er Präsident des ECVCN.
1. Adipositas beim Hund
Definition
Adipositas wird definiert als ein „pathologischer Zustand, der durch eine übermäßige Ansammlung von Körperfett gekennzeichnet ist, die Modifikationen verschiedener Körperfunktionen hervorruft". Die Weltgesundheitsorganisation (WHO, 1997) geht noch einen Schritt weiter und definiert Adipositas beim Menschen sinngemäß als „einen Überschuss an Körperfett mit schädlichen Folgen für die Gesundheit". So dramatisch diese Definition auch klingen mag, ist sie in dieser Form zweifellos auch auf unsere Heimtiere übertragbar. Historisch wurde Adipositas beim Menschen rein quantitativ als ein um 15% über dem Idealgewicht liegendes Übergewicht definiert. Dieser stark vereinfachende Ansatz findet heute eigentlich keine Anwendung mehr und wurde inzwischen durch den so genannten „Body Mass Index" ersetzt. Dieser Index definiert eine ideale Gewichtsspanne für Männer und Frauen für die jeweilige Körpergröße. Beim Hund verfügen wir leider nicht über ein solches Werkzeug. Eine "mathematische" Definition der Adipositas ist beim Hund kaum von praktischem Nutzen (Markwell & Butterwick, 1994), da sie die Kenntnis des Idealgewichts voraussetzt. Das Idealgewicht ist aber selbst bei reinrassigen Hunden nicht immer eindeutig zu definieren. Im Idealfall kennt man das „normale" Gewicht des adulten Hundes, bevor er adipös geworden ist und verwendet dieses als Referenzwert für die Entwicklung der Ausgangssituation und den weiteren Verlauf. In vielen Fällen sind die in der Praxis vorgestellten Tiere aber schon immer, also bereits auch während des Wachstums, übergewichtig gewesen, und das Idealgewicht ist folglich nicht bekannt.
Für die tierärztliche Praxis wurden spezielle Hilfsmittel entwickelt: Die so genannten "Body Condition Scores", die auch als "Körperindizes" bezeichnet werden (siehe unten). Danach gilt ein Hund als adipös, wenn sein Körperindex höher als 3/5 liegt. (© Alex German).
Epidemiologie der Adipositas
Häufigkeit
Die Häufigkeit der Adipositas unter den zur Untersuchung vorgestellten Hunden variiert je nach Autoren, Durchführungsort der epidemiologischen Studien und den anfangs definierten Kriterien zwischen 24 und 44% (Tabelle 1) (Mason, 1970; Meyer et al., 1978; Edney & Smith, 1986; Armstrong & Lund, 1996; Robertson, 2003).
Tabelle 1 - Häufigkeit der Adipositas in der Hundepopulation | |||
Literatur | Land | Anzahl untersuchter Hunde | Geschätzte Häufigkeit |
Krook et al., 1960 | Schweden | 10993 | 9% |
Mason, 1970 | England | 1000 | 28% |
Edney, 1974 | England | 1134 | 34% |
Meyer et al., 1978 | Deutschland | 266 | 30% |
Edney & Smith, 1986 | England | 8268 | 24% |
Armstrong & Lund, 1996 | USA | 23000 | 25% |
Lund et al., 1999 | USA | 30517 | 28% |
Royal Canin, survey (2000) | Frankreich England Spanien Deutschland | 400 befragte Tierärzte | 20 - 22% |
Jerico & Scheffer, 2002 | Brasilien | 648 | 17% |
Robertson, 2003 | Australien | 860 | 25% |
Diese Daten spiegeln jedoch nicht immer die tatsächliche Situation innerhalb der Gesamtpopulation wider. Einige Studien dienen auch heute noch als Referenzen, obwohl sie bereits über 30 Jahre alt sind, andere wurden in einer zu begrenzten Anzahl tierärztlicher Kliniken erhoben, als dass sie die tatsächliche Lage im betreffenden Land wiedergeben könnten. Dennoch zeigen sämtliche in tierärztlichen Praxen von Industrieländern oder Großstädten durchgeführten Studien eine Prävalenz adipöser Hunde von mindestens 20%. Eine telefonische Umfrage unter 400 Tierärzten aus vier europäischen Ländern (Frankreich, Deutschland, Spanien und England) aus dem Mai des Jahres 2000 zeigt, dass die praktisch tätigen Kollegen den Anteil adipöser Hunde an der Gesamtpopulation auf 20% schätzen (als adipös galten hier Hunde, bei denen eine Indikation für eine kalorienarme Reduktionsdiät bestand) (Royal Canin, 2000).
Auch wenn diese epidemiologischen Daten nicht den Schluss zulassen, dass die Häufigkeit der Adipositas in den vergangenen 10 Jahren angestiegen ist, sprechen wir hier zweifellos über eines der wichtigsten medizinischen Probleme in der heutigen Hundepopulation.
Risikofaktoren (Tabelle 2)
Tabelle 2 - Risikofaktoren für Adipositas |
- Rassespezifische Prädisposition - Genetische Faktoren - Alter - Geschlecht - Kastration - Kontrazeptive Behandlungen - Sekundäre Adipositas bei endokrinen Erkrankungen - Arzneimittelbedingte sekundäre Adipositas - Ruhige, inaktive Lebensweise und Bewegungsmangel - Ernährung, die nicht dem Energiebedarf des Individuums angepasst ist - Soziale Bedeutung der Nahrung - Einzelhund |
Die Rasse
Die Rassezugehörigkeit stellt bei der Spezies Hund einen potenziellen Risikofaktor für Adipositas dar, die prädisponierten Rassen variieren jedoch je nach Autor und Studie. So waren beispielsweise in Großbritannien in den 80er Jahren die besonders prädisponierten und entsprechend häufig zitierten Rassen der Labrador, Cairn Terrier, Schottischer Schäferhund oder Collie, Basset, Cavalier King Charles Spaniel, Cocker Spaniel, Langhaarteckel und Beagle (Edney & Smith, 1986).
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass diese Rassen zum Zeitpunkt der Studie in England weit verbreitet waren. Die betroffenen Rassen unterscheiden sich also oft je nach Land und der dort vorherrschenden Beliebtheit einzelner Rassen. Nach Krook et al. (1960) handelte es sich bei den Rassen mit besonderer Prädisposition in Schweden um den Rottweiler, den Bernhardiner, den Collie, den Neufundländer, den Scottish Terrier und den Chow Chow. Dagegen schienen bestimmte Rassen wie Windhunde und Schäferhunde nur selten betroffen zu sein. Nach der in Deutschland durchgeführten Studie von Meyer et al. (1978) waren der Deutsche Schäferhund, der Pudel und der Boxer besonders häufig an Adipositas erkrankt. Der Begriff der Rasseprädisposition muss in diesem Zusammenhang also etwas differenzierter betrachtet werden, auch wenn praktische Tierärzte Adipositas beim Labrador ohne Zweifel häufiger feststellen als bei Windhunden. Adipositas scheint sich aber auch bei anderen Rassen zu einem häufigen Problem zu entwickeln (Tabelle 3).
Auch die Art der Zuchtauswahl kann den körperlichen Zustand (und das Gewicht) der Hundepopulation beeinflussen, indem beispielsweise Kriterien wie Schönheit und Körperformat bzw. Körpergröße bestimmten anderen Kriterien, wie zum Beispiel der Gebrauchsfähigkeit, also der Eignung zur Arbeit, vorgezogen werden. Die rassespezifischen Prädispositionen sind darüber hinaus zum Teil mit genetischen Faktoren verknüpft, insbesondere mit dem Verhältnis fettfreie Körpermasse zu Körperfett, welches den Erhaltungsenergiebedarf des Individuums bestimmt (Abbildung 1).
Tabelle 3 - Hunderassen mit Prädisposition für Adipositas (Nach Edney & Smith, 1986) | |||
Kleine Rassen | Mittelgroße Rassen | Große Rassen | Riesenrassen |
Cairn Terrier Dachshund Cavalier King Charles Scottish Terrier | Beagle Cocker Spaniel Basset Hound | Labrador Retriever Collie Golden Retriever Rottweiler | Berner Sennenhund Neufundländer Bernhardiner |
Der Deutsche Schäferhund, der Greyhound, der Yorkshire Terrier und der Dobermann gehören zu den Rassen mit geringerer Prädisposition für Adipositas. |
Abbildung 1. Vergleich des Verhältnisses von fettfreier körpermasse zu köperfett (Royal Canin, 2003-2004).
Nicht alle Rassen sind in gleichem Maße denselben diätetischen Risiken während des Wachstums ausgesetzt. So prädisponiert eine energetische Überversorgung Hunde kleiner Rassen in erster Linie für Übergewicht, während das Hauptrisiko einer kalorischen Überversorgung bei den großen Rassen im Bereich der Erkrankungen von Knochen und Gelenken liegt (Grandjean & Paragon, 1996). Insbesondere gegen Ende der Wachstumsperiode besteht bei großen Hunderassen ein enger Zusammenhang zwischen Gelenkproblemen und Energieüberversorgung.
Der Berner Sennenhund gehört zu den am stärksten von Adipositas betroffenen Riesenrassen. (© Renner).
Der Labrador gehört zu den am stärksten von Adipositas betroffenen großen Hunderassen.
Der Collie gehört zu den am stärksten von Adipositas betroffenen mittelgroßen Hunderassen. (© Hermeline).
Der Cairn Terrier und der Cavalier King Charles Spaniel gehören zu den am stärksten von Adipositas betroffenen kleinen Hunderassen. (© Renner).
Genetische Faktoren
Ein komplexes System genetisch determinierter Faktoren hat die Aufgabe, das Gleichgewicht zwischen der Energiezufuhr mit der Nahrung und Energieverbrauch des Organismus aufrechtzuerhalten. Diese regulatorischen Mechanismen sind hervorragend ange-passt, um das Überleben wild lebender Spezies in Zeiten der Nahrungskarenz zu sichern. Im Falle eines Überangebotes an Nahrung wie bei unseren meist in einem sehr begrenzten Lebensraum lebenden Heimtieren scheinen diese Mechanismen jedoch nicht mehr in der Lage zu sein, das Gleichgewicht zwischen Zufuhr und Verbrauch aufrecht zu erhalten. Dies ist ein Grund für den zunehmenden Anteil adipöser Individuen an der Gesamtpopulation. Eine Problematik besteht darin, dass bestimmte Individuen adipös werden, während andere, die unter denselben Bedingungen leben, ihr Idealgewicht halten. Es ist also nicht leicht, zwischen Umweltfaktoren im weiteren Sinne und genetischer Prädisposition zu trennen (Johnson, 2000).
Über die genetischen Faktoren, die zu Adipositas beim Hund führen, ist noch relativ wenig bekannt. Es steht jedoch zweifellos fest, dass sie eine gewisse Rolle spielen. So kommt Adipositas besonders häufig bei bestimmten Rassen, aber auch bei bestimmten Linien vor. Auch die polygene Natur des genetischen Hintergrundes der Adipositas wird heute kaum noch angezweifelt (Schalling et al., 1999).
Das Alter
Die Häufigkeit der Adipositas nimmt mit dem Alter des Hundes (Robertson, 2003), aber auch mit dem Alter des Besitzers (Edney & Smith, 1986) zu. Im Alter zwischen 9 und 12 Monaten sind nur 6% der Hündinnen betroffen, unter allen adulten Individuen sind es dagegen 40% (Glickman et al., 1995). Das mittlere Alter zum Zeitpunkt der Erst-diagnose liegt zwischen 5 und 8 Jahren. Weniger als 20% der Hunde unter 4 Jahren sind adipös, während in der Altersklasse 7 bis 8 Jahre mehr als 50% aller Individuen betroffen sind, und im Alter von über 9 Jahren ein Anteil von nahezu 70% der Population adipös ist (Meyer et al., 1978) (Tabelle 4). Bei Hunden im sehr hohen Alter gibt es einen Widerspruch zwischen den Daten von Mason (1970) und neueren Ergebnissen, die darauf hinweisen, dass die Adipositashäufigkeit bei Hunden über 12 Jahren wieder abnimmt (Armstrong & Lund, 1996).
Übergewicht im Welpenalter ist eine Prädisposition für Adipositas beim adulten Hund. (© Doxicat ).
Hündinnen, die bereits im Alter zwischen 9 und 12 Monaten adipös sind, haben ein 1,5mal höheres Risiko, auch als adulte Tiere adipös zu werden, als Hündinnen, die in der Wachstumsphase eher mager sind (Glickman et al., 1995). Beim Menschen werden 80% der adipösen Jugendlichen auch als Erwachsene adipös, und diese sind im Übrigen auch höhergradig betroffen als Individuen, die erst im Erwachsenenalter adipös geworden sind, also in der Wachstumsphase kein Übergewicht hatten (Abraham & Nordseick, 1960). Diese Daten werden regelmäßig durch epidemiologische Studien bestätigt (Eriksson et al., 2003).
Tabelle 4 - Einfluss des Alters auf die Adipositashäufigkeit: Prozentualer anteil Adipöser Hunde in den verschiedenen Altersklassen | |||||||||||||
Ort der Studie | Alter (in Jahren) | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12+ |
England | Mason, 1970 | 16.2 | 33.1 | 37.2 | 40.5 | ||||||||
Deutschland | Meyer et al., 1978 | 6.1 | 19 | 29.9 | 52.6 | 66.7 | |||||||
USA | Armstrong & Lund, 1996 | 19 | 41 | 43 | 44 | 45 | 46 | 42 | 43 | <35 |
Das Geschlecht
Verschiedene in Tabelle 5 dargestellte Daten zeigen, dass Hündinnen eine größere Prädisposition für Adipositas besitzen als Rüden. In einigen Studien repräsentieren Hündinnen mehr als 60% aller adipösen Hunde (Krook et al., 1960; Jerico & Scheffer, 2002). Glickman et al. (1995) haben in einer Studie über 289 adulte Hündinnen einen prozentualen Anteil adipöser Tiere von 40% festgestellt.
Tabelle 5 - Auswirkungen des Geschlechts und der Kastration auf die Adipositashäufigkeit (%) | ||||||
Literatur | Intakte Rüden | Kastrierte Rüden | Rüden (gesamt) | Intakte Hündinnen | Kastrierte Hündinnen | Hündinnen (gesamt) |
Krook et al., 1960 | 38% | 62% | ||||
Mason, 1970 | 23% | 32% | ||||
Meyer et al., 1978 | 42% | 58% | ||||
Adapted from Edney Smith, 1986 (1) | 17% | 38% | 22% | 45% | ||
Jerico & Scheffer, 2002 (2) | 5% | 63% | ||||
Robertson, 2003 (3) | 26% | 25% | ||||
|
Die Kastration
Die Gonadektomie erhöht die Häufigkeit der Adipositas beim Rüden und insbesondere bei der Hündin (Anderson, 1973; Edney, 1974; Karczewski et al., 1987; Miyake et al., 1988; Robertson, 2003). Edney and Smith (1986) stellten fest, dass kastrierte Hündinnen ein doppelt so hohes Adipositasrisiko haben wie nicht kastrierte Hündinnen. Eine neuere Studie weist darauf hin, dass dies auch auf Rüden zutrifft. Eine Studie zeigt, dass die Adipositashäufigkeit unter kastrierten Hunden bei 32% und unter nicht kastrierten bei 15% liegt, und zwar unabhängig vom Geschlecht (Robertson, 2003). Die Geschlechtshormone sind zwar nicht die primären Regulatoren des Stoffwechsels, sie beeinflussen das Körpergewicht aber dennoch direkt über das zentrale Nervensystem oder auf indirektem Weg durch Modifikation des Zellstoffwechsels. Östrogene haben zudem eine hemmende Wirkung auf die Nahrungsaufnahme. Im Verlauf des weiblichen Zyklus variiert die Nahrungsaufnahme folglich, das heißt, sie ist am geringsten während des Östrus, steigt im Verlauf des Metöstrus an und erreicht ihren Höhepunkt im Anöstrus (Houpt et al., 1979).
Verschiedene Studien zeigen, dass Hündinnen tendenziell eine größere Prädisposition für Adipositas haben als Rüden. (© Alex German).
Der Einfluss einer frühzeitigen Kastration auf die Adipositasinzidenz ist weitgehend unbekannt. Eine epidemiologische Studie aus Amerika zeigt, dass die Adipositashäufigkeit in einer Population von Hündinnen, die vor Erreichen eines Alters von 5,5 Monaten kastriert wurden, niedriger liegt als bei Vergleichstieren, die erst im Alter zwischen 5,5 und 12 Monaten kastriert wurden. Die Autoren beschreiben darüber hinaus eine 27%ige Gesamtinzidenz der Adipositas in der kastrierten Hun-depopulation (Spain et al., 2004).
Obgleich es sehr schwierig ist, den genauen Zusammenhang zwischen Kastration und Adipositas aufzuklären - Grund ist vor allem der multifaktorielle Charakter der Erkrankung - lassen sich doch mehrere Erklärungen anführen. Der erste Punkt, den es hier zu berücksichtigen gilt, ist die oben beschriebene Variation der Nahrungsaufnahme im Verlauf des Zyklus und der hemmende Effekt der Östrogene auf die Nahrungsaufnahme. Man kann also davon ausgehen, dass dieser hemmende Effekt bei kastrierten Hündinnen nicht mehr vorhanden ist. Im Verlauf einer dreimonatigen Beobachtungsperiode nach der Kastration nahmen vier Beaglehündinnen 20% mehr Nahrung auf als die nicht kastrierten Kontrolltiere, und ihr Gewicht stieg signifikant an (Houpt et al., 1979). In einer anderen Studie wurde das Problem durch eine Messung der Gewichtszunahme bei kastrierten Hündinnen und Bestimmung der zum Erhalt des bei reinrassigen Beaglehündinnen als Idealgewicht betrachteten Körpergewichts notwendigen Energiemengen angegangen. Um das Idealgewicht der Hündinnen zu halten, hat sich in den zwei auf die Ovariohysterektomie folgenden Wochen eine 30%ige Verringerung der täglichen Energiezufuhr im Vergleich zur Fütterung vor der Kastration als notwendig erwiesen (Jeusette et al., 2004a). Diese Energierestriktion scheint auf den ersten Blick sehr hoch. Eine plausible Erklärung hierfür ist jedoch, dass der Beagle zu den Rassen mit besonders hoher Prädisposition für Adipositas gehört. Die Kastration führt darüber hinaus zu einem Rückgang der spontanen Aktivität, insbesondere bei Rüden. Dieser letzte Punkt lässt sich in einem Versuchszwinger jedoch nur sehr schwer quantifizieren.
Gseschätzter anteil kastrierter Tiere an der Hundepopulation der USA (Texas) (nach Mahlow, 1999) | |
Hundepopulation | Anteil kastrierter Tiere |
Gesamtpopulation | 26.9% |
Rüden | 22.6% |
Hündinnen | 31.4% |
Es gibt große Unterschiede zwischen einzelnen Ländern. In Japan und den USA sind etwa 30 % aller Hunde, Rüden und Hündinnen zusammen, kastriert. In Europa ist dieser Anteil sehr viel niedriger, genaue Daten liegen jedoch nicht vor. |
Die Gewichtszunahme nach der Kastration könnte also durch strenge diätetische Maßnahmen und regelmäßige Bewegung verhindert werden. In einer Studie über Deutsche Schäferhunde, die im Hinder-nisparcours trainiert und als Wachhunde eingesetzt wurden, konnte kein Unterschied beim Körpergewicht zwischen intakten und kastrierten Hündinnen festgestellt werden, obwohl alle Hunde identische Futterrationen bekamen (Le Roux, 1983). Diese Daten scheinen zu bestätigen, dass einer Gewichtszunahme nach der Kastration durch regelmäßige Bewegung vorgebeugt werden kann.
Die zunehmende Häufigkeit von Kastrationen in der Hundepopulation ist eine mögliche Erklärung für die seit den ersten epidemiologischen Studien aus dem Jahr 1960 stetig zunehmende Adipositasinzidenz. In Anbetracht der Tatsache, dass dieser operative Eingriff tendenziell immer häufiger durchgeführt wird, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in den nächsten Jahren mit einem weiteren Anstieg der Adipo-sitashäufigkeit zu rechnen, und zwar auch in den Ländern, die bis heute von diesem Anstieg verschont geblieben sind.
Kontrazeptive Behandlungen
In einer klinischen Studie hat die kontrazeptive Behandlung mit Medroxyprogesteronacetat bei 17,4% der behandelten Hündinnen zu einer signifikanten Gewichtszunahme geführt. Die Autoren berichten von Hyperphagie ("Heißhunger") und Adipositas bei einigen Tieren (Picavet & Le Bobinnec, 1994). Die Gewichtszunahme nach kontrazeptiver Behandlung ist im Übrigen ausführlich bei der Frau dokumentiert Harel et al., 1996).
Adipositas und endokrine Erkrankungen
Adipositas kann mit einigen endokrinen Erkrankungen zusammenhängen, wie zum Beispiel Diabetes mellitus (Krook et al., 1960; Mattheeuws et al., 1984a; Wolfscheimer, 1990; Ford et al., 1993; Hoenig, 2002) und Hypothyreose (Kaelin et al., 1986; Forbes & White, 1987; Roche et al., 1991; Ford et al., 1993; Panciera, 1994, 2001; Dixon et al., 1999). Den Autoren zufolge sind mindestens 40% aller unter einer dieser beiden Erkrankungen leidenden Hunde gleichzeitig adipös. Adipositas kann auch die sekundäre Folge eines Hyperadrenokortizismus sein. In einer klinischen Studie wiesen 5 von 8 erkrankten Hunden die für Adipositas typischen Fettdepots auf, die sich von dem für Hyperadrenokortizismus typischen, birnenförmig aufgetriebenen Abdomen unterschieden (Spearman & Little, 1978).
Arzneimittelbedingte sekundäre Adipositas
Bestimmte medikamentöse Behandlungen können Hyperphagie und eine sekundäre Gewichtszunahme auslösen. Insbesondere handelt es sich hier um Antiepileptika und Glukokortikoide.
Ruhige, inaktive Lebensweise und Bewegungsmangel
Bewegungsmangel ist ein ganz entscheidender Faktor in der Entwicklung von Adipositas. Die Adipositasprävalenz sinkt proportional zur Dauer der wöchentlichen Bewegung. Allerdings kann in der Regel im Einzelfall nicht bestimmt werden, ob die Adipositas für eine Restriktion der Bewegung verantwortlich ist, oder ob umgekehrt der Bewegungsmangel zu den für die Entwicklung der Adipositas verantwortlichen Faktoren gehört (Robertson, 2003). Die Dauer der wöchentlichen Bewegung ist ein deutlich zuverlässigeres Kriterium für die Einschätzung des Energieverbrauchs eines Hundes als die Art des Lebensraumes.
Im Allgemeinen gibt es unter den vorwiegend in der Wohnung lebenden Hunden mehr adipöse Individuen als unter Hunden mit Zugang ins Freie (31% gegenüber 23%) (Robertson, 2003). Es ist jedoch ein weit verbreiteter Irrglaube, anzunehmen, dass das bloße Vorhandensein eines großen Gartens in jedem Fall auch den Energieverbrauch eines Hundes steigert. So werden einige Tiere mit einem sehr begrenzten Lebensraum mehrere Stunden pro Woche ausgeführt, während andere, denen ein großer Garten zur Verfügung steht, nur wenige Minuten täglich spazieren geführt werden und somit deutlich weniger Bewegung haben als ihre zuvor genannten Artgenossen.
Deutscher Schäferhund Regelmäßige Bewegung, eine wirksame Vorbeugemaßnahme gegen Adipositas. (© Renner).
Die Art der Ernährung
Folgende diätetische Adipositasursachen gelten als zweifelsfrei bewiesen: Nahrungszufuhr ohne Berücksichtigung des tatsächlichen Energiebedarfs ("der Hund frisst alles, was er bekommt") und Supplemente in Form von Snacks und "Leckerchen" oder Zusätze, die bei der Gesamtenergiezufuhr nicht berücksichtigt werden. Auch die Gabe sehr schmackhafter Futtermittel sehr hoher Akzeptanz mit hohem Gehalt an schnell assimilierbaren Fetten und Kohlenhydraten stellt eine wichtige Prädisposition für Adipositas dar. Ein unleugbarer Risikofaktor ist die Praxis der ad-libitum-Fütterung, die letztlich fast immer zu einer energetischen Überversorgung führt.
Futtermittel können heute aufgrund von Aromen oder Dank eines hohen Fettgehalts sehr schmackhaft sein und damit eine sehr hohe Akzeptanz aufweisen. Die Futtermittel mit dem höchsten Fettanteil haben natürlich auch die höchste Energiedichte. Obgleich der Hund Fette aus der Nahrung in der Regel sehr gut verträgt und sie gut als Energiequelle verwerten kann, ist er auch in der Lage, sie bei übermäßiger Zufuhr zu speichern, und zwar zunächst in Form von abdominalem Fettgewebe. Bereits eine geringfügige Änderung der Futterzusammensetzung, in diesem Fall eine 8%ige Erhöhung der Energiezufuhr aus Fett ohne Änderung der Gesamtenergiezufuhr, führte bei Hunden unter experimentellen Bedingungen zu einer signifikanten Zunahme des abdominalen Fettdepots ohne Veränderung des Körpergewichts (Kim et al., 2003). Auch beim Menschen ist die Zufuhr von Nahrungsfett der Hauptfaktor in der Entwicklung der Adipositas (Garaulet et al., 2001). Beim Hund können hoch verdauliche Futtermittel mit geringem Gehalt an diätetischen Fasern und hoher Energiedichte für eine Gewichtszunahme verantwortlich sein. Zusätzliche Risikofaktoren sind Snacks, „Leckerchen“ und Tischabfälle des Besitzers sowie verschiedene Futterergänzungen (Kienzle et al., 1998; Robertson, 2003).
Viele kleine Hunde verbringen den Großteil ihrer Zeit in der Wohnung. In Asien leben 65% aller kleinen Hunde zu 100% „Indoor“. Sie verlassen die Wohnung nicht und benutzen analog zur Katze eine Hundetoilette. (© Doxicat/Hermeline).
Kontrovers diskutiert wird der Einfluss von zu Hause selbst zubereiteten Rationen auf die Entwicklung der Adipositas beim Hund (Lewis, 1978). Zugrunde liegt hier die Vorstellung, dass Hunde, die selbst zubereitete Rationen erhalten, häufiger durch „Leckerchen“ „belohnt“ werden und insgesamt größere Mengen an Nahrung bekommen. Dieses Argument trifft aber wohl nur in Ländern zu, in denen Hunde oft noch auf diese „traditionelle“ Weise mit selbst zubereiteten Rationen oder Tischresten ernährt werden. In Norda-merika erhalten 95% aller Hunde industrielle Futtermittel, und dennoch scheint hier die Adipositas unter Hunden nicht weniger verbreitet als in Europa, ganz im Gegenteil (Lund et al., 1999).
In einer epidemiologischen Studie konnte kein besonderer Einfluss eines bestimmten Futtermitteltyps (Trockenfutter bzw. Dosennahrung) auf die Häufigkeit der Adipositasnachgewiesen werden (Robertson, 2003).
Female Auvergne Pointing Dog. Hypothyreose geht häufig mit Adipositas einher. (© Diez).
Im Gegensatz zu einigen alt hergebrachten Vorstellungen führte die Verteilung einer dem Bedarf angepassten Tagesration auf mehrere Mahlzeiten nicht zu einer Erhöhung der Adipositashäufigkeit. Die in epidemiologischen Studien untersuchten adipösen Hunde wurden im Allgemeinen nur einmal am Tag gefüttert (Kienzle et al., 1998; Robertson, 2003). Die Aufteilung der Tagesration auf mehrere Mahlzeiten darf in diesem Zusammenhang jedoch nicht mit der zusätzlichen Gabe verschiedenster Snacks verwechselt werden!
Der soziale Aspekt der Nahrung
Die Bedeutung des Futters und Fütterns in der Beziehung zwischen Mensch und Hund spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung der Adipositas.
Eine Studie aus Deutschland (Kienzle et al., 1998) zeigt, dass die Beziehung zwischen Mensch und adipösem Hund unter soziologischen Aspekten oft durch ein übersteigertes anthropomorphes Verhalten gekennzeichnet ist. So sprechen Besitzer adipöser Tiere mehr mit ihrem Hund, akzeptieren ihr Tier eher im Bett, haben keine Angst vor Zoonosen und messen der körperlichen Bewegung, der Arbeit oder der Wach- und Schutzfunktion ihres Hundes eher wenig Bedeutung bei. Nur wenig erstaunlich ist deshalb die Feststellung, dass adipöse Tiere häufiger gefüttert werden oder häufiger Snacks bekommen als normalgewichtige Tiere. Diese Studie bestätigt frühere Daten (Mason, 1970; Kronfeld, 1988) und stellt fest, dass Besitzer adipöser Hunde in vielen Fällen selbst unter Übergewicht leiden (54% gegenüber 28% der Besitzer normalgewichtiger Hunde) und vergleichsweise körperlich inaktiv sind. Besitzer adipöser Hunde interpretieren jegliches Bettelverhalten ihres Hundes als Bitte um Nahrung und achten offensichtlich nur wenig auf eine ausgewogene Ernährung des Hundes. Einige dieser soziologischen Aspekte sind praktischen Tierärzten bereits sehr gut bekannt, ein großer Verdienst dieser Studie ist jedoch deren Objektivierung in Form eines anamnestischen Fragebogens (Kienzle et al., 1998).
Bernhardinerwelpen. Von einer ad-libitum-Fütterung ist abzuraten. Die meisten Hunde sind nicht in der Lage, ihre Nahrungsaufnahme zu regulieren. Es empfiehlt sich, die Welpen desselben Wurfes in der Absetzphase getrennt voneinander zu füttern. (© Psaïla).
Die oben angeführten Fakten scheinen auf den ersten Blick relativ entmutigend und gestatten es nicht, einfache Korrelationen (z. B. zwischen dem Gewicht des Besitzers und dem Gewicht des Hundes) herzustellen und die Ursachen der Adipositas eindeutig zu differenzieren. Dennoch handelt es sich um sehr nützliche Hinweise für die Entwicklung präventiver und therapeutischer Maßnahmen gegen die kanine Adipositas. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf Umweltfaktoren im weiteren Sinn, die zwar a priori außerhalb des Tieres liegen, aber dennoch einen entscheidenden Einfluss auf seine Gesundheit haben.
Besitzer adipöser Hunde interpretieren die Hyperphagie ("Heißhunger") ihres Tieres zum Teil auch als Zeichen einer guten Gesundheit (Kronfeld, 1988) und bewerten das Übergewicht bei bestimmten Rassen als ein Schönheitskriterium. Einige Besitzer begehen den Fehler, Nahrung gewissermaßen als Ersatz für Zuwendung einzusetzen, um z.B. zu verhindern, dass sich allein gelassene Tiere langweilen oder Gegenstände zerstören. Für einen Hund schließlich, der in einem familiären Umfeld lebt, kann es zu einer schlechten Gewohnheit werden, zusätzliche Nahrung von den Kindern zu bekommen (Belohnungen, Spiel usw.). Mehrere Tiere im Haushalt können sich hinsichtlich der Kontrolle der Nahrungsaufnahme des einzelnen Hundes als sehr problematisch erweisen. Entgegen der landläufigen Meinung ist die Adipositashäufigkeit in Haushalten mit nur einem einzigen Hund jedoch höher (Kienzle et al., 1998; Robertson, 2003).
In der Schlussfolgerung bleibt festzustellen, dass der tatsächliche Energiebedarf unserer Hunde oft falsch eingeschätzt wird und die Energiezufuhr deshalb in vielen Situationen zu hoch ist. Die Aufgabe des Tierarztes besteht darin, einzuschätzen, ob es sich im Einzelfall um eine primäre oder um eine sekundäre Adipositas handelt. Nur so kann die nachfolgende Behandlung in die richtige Richtung gelenkt werden.
In einer Gruppe von Hunden derselben Rasse ist eine individuelle Rationierung der Nahrung erforderlich. . (© Campus Royal Canin).
Adipositas-assoziierte Erkrankungen
Bis Ende der 80er Jahre gab es relativ wenig klinische Daten über so genannte Adipositas-assoziierte Erkrankungen beim Hund. Einige Autoren haben Daten epidemiologischer Studien aus der Humanmedizin auf die Verhältnisse beim Hund extrapoliert. Das einfache Übertragen humanmedizinischer Daten (z. B. Diabetes mellitus, Hypertonie) auf den adipösen Hund ist jedoch keinesfalls eine befriedigende Lösung. Vielmehr gilt es, sich mit den heute in zunehmend größerer Zahl veröffentlichten, spezifischen Daten über adipöse Hunde zu beschäftigen. Eine Zusammenfassung finden Sie in Tabelle 6.
Tabelle 6 - Adispositas-assoziierte erkrankungen und probleme beim hund | ||
Nachgewiesene Faktoren | Umstrittene Faktoren | |
Verkürzung der Lebenserwartung Knochen- und Gelenkserkrankungen Leistungsschwäche/Leistungsintoleranz Herz- und Atembeschwerden Diabetes mellitus Geschwächte Immunität Hyperlipidämie und Dyslipidämie Dystokie Mammatumore Malassezia-Dermatitis Schwierigkeiten bei der Durchführung diagnostischer Maßnahmen Schwierigkeiten bei chirurgischen Eingriffen Veränderungen der Schilddrüsenfunktion | Inkontinenz und Harnsteine Fortpflanzungsstörungen Sonstige Neoplasien Sonstige Dermatosen |
Verkürzung der Lebenserwartung
Eindeutig belegt ist, dass Übergewicht beim Hund zu einer Verkürzung der Lebenserwartung führt. Kealy et al. (2002) haben im Rahmen einer Langzeituntersuchung eine Stichprobe von 48 Labradors beobachtet. Die Hälfte der Probanden wurde lebenslang mit restriktiven Mengen gefüttert. Zu Beginn der Studie wurde eine Gruppe mit einem Wachstumsfutter ad libitum gefüttert, während die Energiezufuhr in der zweiten Gruppe auf 75% der ad libitum gefütterten Gruppe beschränkt wurde. Das Körpergewicht sämtlicher Tiere der ad-libitum-Gruppe stieg bis zum Alter von drei Jahren und vier Monaten an und erreichte im Mittel 35 kg. Auch in der energierestriktiv gefütterten Gruppe war bis zum Alter von drei Jahren und vier Monaten ein Anstieg des Körpergewichts zu verzeichnen, und die Hunde erreichten im Mittel 27 kg. Zu diesem Zeitpunkt wurden zwei Umstellungen der Ernährung vorgenommen: Alle Hunde bekamen ein Futtermittel mit geringerer Energiedichte und die anfangs ad libitum gefütterten Gruppe wurde restriktiv gefüttert (Gabe einer festgelegten Futtermenge), während die zweite Gruppe auch weiterhin 25% weniger Kalorien erhielt.
Die Modifikationen des Versuchsprotokolls führten bei allen Hunden zu einer Abnahme des Körpergewichts, das sich schließlich stabilisierte. Im Alter von 5 Jahren lag der mittlere Gewichtsunterschied zwischen beiden Hundegruppen bei 10 kg. Im Alter von 8 Jahren betrug der Körperindex bei den Hunden, die am meisten Nahrung zu sich nahmen, 6,8/9, während er bei den Kontrollhunden bei 4,5/9 lag (1 = Kachexie, 9 = hochgradige Adipositas).
Im Alter von 12 Jahren lag die mittlere tägliche Energiezufuhr der Kontrolltiere bei 1745 kcal, und bei den Hunden, die 75% der Zufuhr erhielten bei 1352 kcal. Das entspricht etwa 127 und 115 kcal/kg KG 0,75 Die Hunde der zweiten Gruppe wogen im Mittel 26% weniger als die Kontrolltiere. Die diätetische Restriktion hatte zu einer Verlängerung der Lebenserwartung auf 13 Jahre geführt, die Kontrolltiere wurden dagegen im Mittel nur 11,2 Jahre alt. Zudem hatte die Energierestriktion zu einer verzögerten Entwicklung chronischer Erkrankungen, und hier insbesondere der Arthrose, geführt. Auch wurden bei den Hunden, die 25% weniger Energie erhielten, verschiedene Stoffwechselparameter (Insulin, Glukose, Blutfette) günstig beeinflusst. Diese Studie ist aus wissenschaftlicher Sicht von herausragender Bedeutung, denn sie bestätigt zweifelsfrei einen Zusammenhang zwischen tägliche Energiezufuhr und Lebens-erwartung beim Hund. Sie wird damit zu einem eindrucksvollen Plädoyer gegen die Praxis der ad libitum-Fütterung und liefert darüber hinaus wertvolle Daten zu den Auswirkungen von Übergewicht auf die Entwicklung von Knochen- und Gelenkserkrankungen.
Der positive Effekt einer Energierestriktion auf die Lebenserwartung wurde auch beim Menschen beobachtet: Individuen mit einem Body Mass Index im mittleren Bereich haben eine höhere Lebenserwartung als Individuen mit Übergewicht (Manson et al., 1987).
Die Futteraufnahme von Welpen großer Rassen sollte von Anfang an kontrolliert werden. (© Renner).
Erkrankungen der Knochen und Gelenke
Übergewicht stellt bei Tieren jeden Alters eine Prädisposition für Erkrankungen des Bewegungsapparates dar (Abbildung 2 und Kapitel 11). Bei wachsenden Welpen großer Hunderassen begünstigt Übergewicht infolge einer Überernährung die Entstehung verschiedener orthopädischer Probleme oder die klinische Manifestation einer Hüftgelenksdysplasie (Kealy et al., 1992). Die Symptome übergewichtsbedingter Knochen- und Gelenksprobleme werden im Allgemeinen ab einem Alter von 6 Monaten beobachtet. In vielen Fällen sind die daraus resultierenden pathologischen Veränderungen irreversibel.
Abbildung 2. Zusammenhang zwischen orthopädischen Erkrankungen und Adipositas: verteilung stationärer Patienten nach ihrem Körperindex: Skala von 1 (Kachexie) bis 9 (hochgradige Adipositas) (Lhoest et al., 2004).
In der oben genannten Studie von Kealy et al. wurden die radiologischen Symptome der Hüftgelenksarthrose bei Labradors ab einem Alter von 4 Monaten untersucht. Ihre Häufigkeit nahm bei den ad libitum gefütterten Labradors im Vergleich zu den Hunden mit restriktiver Energiezufuhr (52% gegenüber 13% im Alter von 5 Jahren) progredient zu. Bei Labradors im Alter von über acht Jahren lautete die häufigste Erkrankung Arthrose mehrerer Gelenke (Schulter, Ellbogen, Hüfte, Knie), 90% der Labradors waren betroffen (Kealy et al., 1997, 2000, 2002). Die Studie zeigt zudem, dass die Arthrose in der anfangs ad libitum gefütterten Gruppe hochgradiger ausgeprägt war.
Weitere orthopädische Erkrankungen kommen bei adipösen Hunden ebenfalls häufig vor (Janicki & Sendecka, 1991). Kreuzbandrupturen und Frakturen des Condylus humeri waren Gegenstand einer umfassenden epidemiologischen Studie beim Cocker Spaniel. Unter insgesamt 854 Tieren zeigten Hunde, die von der einen oder der anderen dieser Erkrankungen betroffen waren, ein höheres Körpergewicht als die gesunde Population. Überraschenderweise verhielt es sich bei den Tieren mit Erkrankungen der Bandscheiben umgekehrt (Brown et al., 1996).
Hüftgelenksdysplasie Bei Hunden mit Erkrankungen der Knochen und Gelenke entsteht ein Teufelskreis. Das Hochgradige dysplastische Veränderungen im linken betroffene Tier neigt dazu, seine körperliche Aktivität zu reduzieren, was wiederum zu Hüftgelenk mit Subluxation und Arthrose. Adipositas ist Überernährung und Übergewicht führt, wenn die Energiezufuhr nicht entsprechend angeein auslösender oder verstärkender Faktor der passt wird. Im Übrigen ist die Feststellung einer Gelenkserkrankung (z. B. Kreuzbandriss)
Hüftgelenksdysplasie. Hochgradige dysplastische Veränderungen im linken Hüftgelenk mit Subluxation und Arthrose. Adipositas ist ein auslösender oder verstärkender Faktor der Hüftgelenksdysplasie. Eine energetische Restriktion kann die Entstehung und die Entwicklung der verschiedenen Formen der Osteoarthritis bzw. Osteoarthrose verzögern.. (© HAW Hazewinkel).
Leistungsschwäche/Leistungsintoleranz, Herz-/Kreislaufprobleme und Atembeschwerden
Bei den Adipositas-assoziierten Symptomen handelt es sich in erster Linie um eine Leistungsintoleranz (De Rick & De Schepper, 1980) und Atembeschwerden (Ettinger, 1983). Darüber hinaus gibt es einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Trachealkollaps und Adipositas, auch wenn andere Faktoren, wie zum Beispiel die Rassezugehörigkeit, hier einen höheren Korrelationsgrad aufweisen (O'Brien et al., 1966; White & Williams, 1994).
Eine Feldstudie zeigt, dass der Besitzer unweigerlich eine Veränderung des Verhaltens seines Hundes feststellt, sobald eine Gewichtsreduktion erreicht ist: Der Hund ist meist deutlich munterer und verspielter (Daten von Royal Canin 2001, erhoben an 13 Hunden, die seit über einem Jahr an Adipositas gelitten hatten und über mindestens 10 Monate beobachtet wurden).
Die Zunahme des Körpergewichts beim Hund geht mit einer Erhöhung der Herzfrequenz, des Herzkammervolumens, des Blutdrucks und des Plasmavolumens einher (Rocchini et al., 1987; Mizelle et al., 1994; Massabuau et al., 1997). Der Zusammenhang zwischen Adipositas und Hypertonie ist jedoch umstritten. So soll es beim Hund einen Zusammenhang zwischen dem Alter und dem arteriellen Blutdruck geben, nicht aber zwischen Adipositas und Bluthochdruck (Bodey & Michell, 1996). Dennoch wurde der Hund in der Humanmedizin vielfach als experimentelles Modell zur Untersuchung der Pathogenese des Bluthochdrucks infolge einer Zunahme des Körpergewichts und der damit einhergehenden Insulinresistenz herangezogen (Verwaerde et al., 1997; Truett et al., 1998).
Bei Übergewicht nimmt die Häufigkeit kardiovaskulärer Erkrankungen zu. In verschiednen Studien werden in diesem Zusammenhang folgende Erkrankungen beschrieben: Thrombose der Portalvene (Van Winkle & Bruce, 1993), Hypoxie des Myokards (Baba & Arakana, 1984) und Klappenendokardiose (Valtonen & Oksanen, 1972; Edney & Smith, 1986).
Die oben beschriebenen kardiovaskulären Effekte sind auch für Nephrologen von Interesse (Alonso-Galicia et al., 1995; Joles, 1998). Kann Bluthochdruck im Laufe der Zeit zu Veränderungen der Nierenfunktion führen? Eine klinische Studie zeigt, dass bei Hunden, die über einen Zeitraum von sechs Monaten mit einem Futtermittel mit hohem Gehalt an tierischen Fetten überernährt werden, das Übergewicht (+58% im Vergleich zu den Kontrolltieren) mit einer Zunahme des Gewichts der Nieren (+31%), des arteriellen Blutdrucks, der glomerulären Filtrationsrate, der Nierendurchblutung und verschiedener histopathologischer Nierenveränderungen einhergeht. In ihrer Schlussfolgerung postulieren die Autoren, dass die beobachteten Läsionen und Anomalien im Falle einer über längere Zeit persistierenden Adipositas noch hochgradiger sein könnten (Henegar et al., 2001). Die in dieser Studie beobachteten sehr negativen Effekte sind möglicherweise nicht nur auf den Einfluss der Menge diätetischer Fette zurückzuführen, sondern auch auf deren Zusammensetzung.
Englische Bulldogge. Adipöse Hunde sind bei steigender Außentemperatur anfälliger für einen Hitzschlag als nicht-adipöse Hunde (© Lanceau).
Diabetes mellitus
Diabetische Hunde können eine Hyperphagie aufweisen, die zunächst eine Gewichtszunahme verursacht. Die Zusammenhänge zwischen Adipositas und dem Kohlenhydratstoffwechsel sind sehr komplexer Natur, es ist aber offensichtlich, dass Adipositas tief greifende Veränderungen des Glukosestoffwechsels und der Insulinsekretion hervorruft (Mattheeuws et al., 1984a, b). So wurde unter anderem festgestellt, dass die Insulinsekretion, die Insulinämie und die Glukoseintoleranz proportional zum Adipositasgrad ansteigen. Ursache ist die Entstehung eines Zustandes der Insulinresistenz, wobei ein Festa et al., 2001). Das Modell des mit fettreichen Rationen überernährten Hundes wurde im Übrigen sehr umfassend zur Untersuchung des Syndroms der Insulinresistenz eingesetzt. Dabei hat man festgestellt, dass sich eine Insulinresistenz bei Hunden, bei denen eine Adipositas mit Hilfe einer ad-libitum-Fütterung fettreicher Rationen eingeleitet wurde, progressiv im Verhältnis zur Steigerung der Adipositas (Rocchini et al., 1987; Bailhache et al., 2003a; Kim et al., 2003) und zur Steigerung der Produktion adipozytärer Zytokine (Gayet et al., 2002, 2003b, 2004a, b; Jeusette et al., 2004b) entwickelt.
Es ist nicht eindeutig geklärt, ob Adipositas ein Risikofaktor für die Entwicklung des Diabetes melli-tus beim Hund ist. Die gegenwärtig zu beobachtende Zunahme der Diabetesinzidenz beim Hund könnte jedoch ein Hinweis darauf sein (Hoenig, 2002). (© Faculty of veterinarian of Liège).
Schwächung der Immunität
Adipöse Tiere oder Tiere, die fettreich ernährt werden, sind weniger widerstandsfähig gegenüber Infektionen als ihre ausgewogen ernährten Artgenossen (Newberne, 1966, 1973; Williams & Newberne, 1971; Fiser et al., 1972).
Hyperlipidämie und Dyslipidämie
Nach Joshua (1970) ist bei adipösen Hunden eine Fettinfiltration der Leber zu beobachten. Eine epidemiologische Studie zeigt darüber hinaus, dass Übergewicht das Risiko einer akuten Pankreatitis erhöht (Hess et al., 1999). Diese Ergebnisse weisen vor allem auf tief greifende Störungen des Fettstoffwechsels hin. Die adipösen Hunde weisen eine Erhöhung der Konzentrationen der Plasmalipide (Cholesterin, Triglyzeride und Phospholipide) auf, ohne allerdings die Referenzwerte dieser verschiedenen Parameter zu überschreiten (Chikamune et al. 1995; Bailhache et al., 2003b; Diez et al., 2004). Darüber hinaus wurden eine Steigerung der Konzentration nicht veresterter Fettsäuren und Veränderungen der Lipoproteine (Zunahme der Triglyzeride in den VLDL und HDL, Abnahme des HDL-Cholesterins und Zunahme des VLDL-Cholesterins) beobachtet (Bailhache et al., 2003a, b). Die beim Menschen gut bekannten Folgen dieser Veränderungen müssen beim Hund jedoch erst noch eingehender untersucht werden.
Harninkontinenz und Harnsteine
Es gibt die Hypothese eines Zusammenhangs zwischen Adipositas und bestimmten Formen der Harninkontinenz, insbesondere bei kastrierten Hündinnen, dies gilt aber nach wie vor als umstritten (Gregory, 1994). Einige Hündinnen entwickeln eine Inkontinenz, nachdem sie adipös geworden sind, und eine Gewichtsreduktion kann das Problem in vielen dieser Fälle lösen. In einigen Fällen wird ein erneutes Auftreten der Inkontinenz beobachtet, nachdem die betroffenen Hündinnen durch eine entsprechend veränderte Ernährung wieder an Gewicht zugelegt haben. Einer Hypothese zufolge könnte das retroperitoneale Fettgewebe einen mechanischen Einfluss auf Nieren und Harnwege bei der Hündin haben (Holt, 1987). Zu berücksichtigen ist, dass kastrierte Hündinnen ein doppelt so hohes Adipositasrisiko haben wie intakte Hündinnen. Diese Tatsache könnte eine Erklärung für den möglichen Zusammenhang zwischen Harninkontinenz und Kastration sein. Die Diskussion hierüber ist aber bei weitem noch nicht abgeschlossen.
Übergewichtige Hunde haben darüber hinaus ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Kalziumoxalatharnsteinen (Lekcharoensuk et al., 2000).
Fortpflanzungsstörungen
Ob es einen Zusammenhang zwischen Adipositas und Fortpflanzungsstörungen gibt, ist unklar, selbst wenn man einräumt, dass überschüssiges Körperfett zu Dystokien führen kann (Edney & Smith, 1986; Sonnenschein et al., 1991; Glickman et al., 1995).
Deutscher Schäferhund: Hündin mit Welpen. Beim Menschen reduziert Adipositas nachweislich die Fertilität (Pasquali et al., 2003). Möglicherweise ist dies auch beim Hund der Fall. (© Renner).
Neoplasien
Der Zusammenhang zwischen Adipositas und der Entstehung bestimmter Neoplasien (Mamma, Uterus, Dickdarm und Prostata) ist beim Menschen hinlänglich nachgewiesen (National Institute of Health, 1998). Dagegen darf beim Hund mit Ausnahme der Mammatumore eine solche Verbindung aufgrund fehlender klinischer Daten nicht hergestellt werden.
Die ersten Daten wurden 1991 veröffentlicht. Nach Sonnenschein et al. führen Adipositas oder eine fettreiche Ernährung über einen Zeitraum von einem Jahr vor der Diagnose nicht zu einer Erhöhung des Risikos für Mammatumore bei adulten, intakten oder kastrierten Hündinnen. Widersprochen wird diesen Daten jedoch in einer Studie von Perez Alenza et al. (1998, 2000).
Dagegen sinkt das Tumorrisiko bei kastrierten Hündinnen, die im Alter zwischen 9 und 12 Monaten schlank waren (Sonnenschein et al., 1991), und es steigt bei Hündinnen, die im Alter von einem Jahr adipös waren (Perez Alenza, 1998, 2000). Insgesamt kommen die Autoren zu der Schlussfolgerung, dass Übergewicht bei juvenilen Tieren eine prädisponierende Rolle für die Entwicklung von Mammatumoren beim adulten Tier spielt.
In einer Retrospektivstudie konnten diese Ergebnisse allerdings nicht bestätigt werden (Philibert et al., 2003): Erstens war es nicht möglich, die Auswirkungen einer frühzeitigen Adipositas auf die Entwicklung von Mammatumoren zu analysieren. Zum zweiten beschreiben die Autoren weder einen Zusammenhang zwischen Adipositas und der Entwicklung der Tumore, noch zwischen Adipositas und der Überlebensdauer (10 Monate bei adipösen Hunden gegenüber 14 Monaten bei den anderen).
Erkrankungen der Haut
In zahlreichen Übersichtsarbeiten über die kanine Adipositas wird erwähnt, dass Hautprobleme bei adipösen Hunden häufiger vorkommen als bei nicht-adipösen Hunden. Paradoxerweise gibt es nach unserer Kenntnis keine kontrollierte Studie, die diese Tatsache bei Hunden zweifelsfrei belegt, mit einer Ausnahme: In einer klinischen Studie an 29 Hunden mit Dermatitis aufgrund einer Infektion mit Malassezia pachydermatis wurde Adipositas als ein signifikanter Risikofaktor für die Entwicklung dieser Hautentzündung identifiziert (Pak-Son et al., 1999).
Nach Edney & Smith (1986) ist der Zusammenhang zwischen Hautproblemen und Adipositas unklar.
Untersuchungstechniken
Die Anwendung bestimmter Untersuchungstechniken ist bei adipösen Hunden schwieriger als bei gesunden Hunden. Auskultation, Palpation und Röntgenuntersuchung werden durch übermäßige Ansammlungen subkutanen oder abdominalen Fettgewebes erschwert (Joshua, 1970).
Nachteile bei Operationen
Das Narkoserisiko ist bei adipösen Hunden höher, es hängt letztlich jedoch sehr stark von der Art des verwendeten Anästhetikums ab. Hauptrisiken sind eine Überdosierung des anästhetischen Wirkstoffes und eine Verlängerung der Aufwach- und Erholungsphase aufgrund der Speicherung fettlöslicher Anästhetika im Körperfettgewebe. Die weiteren Risiken hängen mit den bei adipösen Patienten häufiger auftretenden assoziierten Erkrankungen zusammen, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-, Atem- und Leberproblemen (Clutton, 1988). Im Rahmen einer kontrollierten Studie wurde die Operationsdauer der Ovariektomie bei Hündinnen untersucht. Hierbei wurde festgestellt, dass der chirurgische Eingriff bei adipösen Hündinnen signifikant länger dauert, und zwar im Mittel in einer Größenordnung von etwa 30% (Van Goethem et al., 2003).
Wie beim adipösen Menschen besteht auch bei Hunden ein erhöhtes Operationsrisiko aufgrund verschiedener Anomalien, wie zum Beispiel Störungen der Atemfunktion (Verringerung der respiratorischen Kapazität, Hypoventilation), Störungen der Herz-/Kreislauffunktion (Bluthochdruck und Kardiomegalie) oder anderer Störungen (Schwierigkeiten beim Intubieren oder bei der Aufrechterhaltung eines ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalts). Auch postoperative Komplikationen treten bei adipösen Patienten häufiger auf (Fisher et al., 1975).
Reversibilität der Störungen
- Die von Besitzern beschriebenen Probleme wie Leistungsintoleranz, Inaktivität, lokomotorische und respiratorische Störungen werden durch eine Gewichtsreduktion im Allgemeinen gebessert oder gehen sogar vollständig zurück (Gentry, 1993; Diez et al., 2002, 2004).
- Dasselbe gilt für bestimmte Störungen der Herzfunktion (Baba & Arakana, 1984).
- Auch eine Harninkontinenz kann sich mit Hilfe einer Gewichtsreduktionsdiät verbessern oder vollständig zurückgehen (Holt, 1987).
- Jüngste Studien belegen auch die Reversibilität der wichtigsten Stoffwechselstörungen, insbesondere der Insulinresistenz und der Störungen des Fettstoffwechsels (Gayet et al., 2003a, 2004a, b; Jeusette et al., 2004b).
Modifikation der Schilddrüsenfunktion
Die Schilddrüsenfunktion wurde bei adipösen Hunden und bei einer Kontrollgruppe gesunder Hunde untersucht und anschließend über den Verlauf eines Programms zur langsamen Gewichtsreduktion überwacht. Die Konzentrationen bestimmter Schilddrüsenhormone waren bei adipösen Hunden zunächst erhöht, sanken aber danach im Verlauf des Gewichtsreduktionsprogramms. Die Autoren schlussfolgern, dass Adipositas und eine restriktive Energieversorgung die Schilddrüsenfunktion zwar beeinflussen können, dass diese Modifikationen bei der Interpretation klinischer Studien jedoch nicht eindeutig einbezogen werden können (Daminet et al., 2003).
Pathophysiologie der Adipositas
Vereinfacht ausgedrückt ist Adipositas die Folge eines energetischen Ungleichgewichts. Die Energiezufuhr war über einen bestimmten Zeitraum höher als der Energieverbrauch, und es entstand eine positive Energiebilanz. Zahlreiche Faktoren können eine solche Situation auslösen, und man geht davon aus, dass eher das Zusammenwirken mehrerer verschiedener Faktoren für die Entstehung von Adipositas verantwortlich ist, als der Effekt eines einzelnen Faktors allein.
Das energetische Gleichgewicht
Die Grundlagen des energetischen Gleichgewichts
Das Grundprinzip der Energiebilanz lautet:
Modifikation der Reserven = Energiezufuhr - Energieverbrauch
Eine positive Energiebilanz ist die Folge einer über dem Energieverbrauch liegenden Energiezufuhr. Umgekehrt ist die Energiebilanz negativ, wenn der Verbrauch die Zufuhr übersteigt. Unter normalen Bedingungen schwankt die Energiebilanz von Mahlzeit zu Mahlzeit, von Tag zu Tag und von Woche zu Woche, ohne dass es dadurch auf längere Sicht zu Veränderungen des Körpergewichts oder der Energiereserven kommt. Zahlreiche physiologische Mechanismen sorgen dafür, dass die Energiezufuhr stets auf den Energieverbrauch abgestimmt wird und umgekehrt auch der Energieverbrauch an die Energiezufuhr angepasst wird. Ziel dieser Regulationsmechanismen ist es, das Körpergewicht in beiden Fällen langfristig stabil zu halten. Ist die Energiebilanz positiv, sorgen diese Mechanismen für ein Ansteigen des Energieverbrauchs (Substratzyklen, entkoppelnde Proteine), und bei negativer Energiebilanz neigt der Organismus dazu, seinen Energieverbrauch zu drosseln (was unter anderem einer Gewichtsreduktion entgegenwirkt).
Energiezufuhr
Die Gesamtenergiezufuhr stammt aus den mit der Nahrung aufgenommenen und vom Körper verdauten und verstoffwechselten Nährstoffen. Tabelle 7 zeigt die Energiezufuhr über die verschiedenen Energie liefernden Makronährstoffe. Die verwendeten Koeffizienten sind von Atwater abgeleitet und tragen damit ein gewisses Fehlerrisiko, da sie lediglich eine mittlere Verdaulichkeit berücksichtigen. Fett liefert mehr Energie pro Gewichtseinheit als die verdaulichen Kohlenhydrate oder die Proteine. Bei Karnivoren besitzen diätetische Fasern nur eine geringe Verdaulichkeit, und ihr Energiewert kann daher vernachlässigt werden. Zu beachten ist jedoch, dass man verdaulichen Fasern beim Menschen einen Energiewert von 1 bis 2 kcal/g zuschreibt. Beim Hund werden bestimmte lösliche Fasern vollständig verdaut (Diez et al., 1998), und Acetat könnte zum Energiestoffwechsel des Hundes in einer Größenordnung von 8% beitragen (Pouteau et al., 1998).
Tabelle 7 - Energiezufuhr aus den verschiedenen Makronährstoffen (Martin, 2001) | |||
1 g Kohlenhydrate | 1 g Protein | 1 g Fett | |
Bruttoenergie | 4.2 kcal | 5.4 kcal | 9.4 kcal |
Verdauliche Energie | 3.7 kcal (88%) | 4.8 kcal (89%) | 8.5 kcal (90%) |
Metabolisierbare Energie | 3.5 kcal (83%) | 3.5 kcal (65%) | 8.5 kcal (90%) |
Tatsächlicher Energiewert (Nettoenergie) | 3.2 kcal (76%) | 2.2 kcal (41%) | 8.2 kcal (87%) |
Die prozentualen Angaben beziehen sich auf die Bruttoenergie. |
Energieverbrauch
Die zweite Variable der Gleichung ist der Energieverbrauch, der sich in drei Komponenten gliedert:
- Grundumsatz (BMR oder Basal Metabolic Rate)
- Bedarf für postprandiale Thermogenese (Wärmebildung nach der Mahlzeit)
- Leistungsbedarf (z.B. für körperliche Aktivität)
Die vom NRC (1974) empfohlene Gleichung zur Berechnung des Erhaltungsenergiebedarfs lautet: 132 kcal pro kg metabolisches Körpergewicht (MG)* * MG = (Körpergewicht in kg) 0,73 Der Exponent wird aus Gründen der Vereinfachung oft auf 0,75 gerundet, der Originalwert ist jedoch 0,73.
Bei einem erwachsenen Menschen mit inaktiver, bewegungsarmer Lebensweise haben Grundumsatz, postprandiale Thermogenese und körperliche Aktivität einen Anteil von 60, 10 beziehungsweise 30% am Gesamtenergieverbrauch (WHO, 1997). Der Anteil der einzelnen Komponenten schwankt jedoch beträchtlich je nach Regelmäßigkeit und Intensität der körperlichen Aktivität, der Schlüsselvariablen des Energieverbrauchs. Beim Grundumsatz scheint es sich dagegen um einen relativ konstanten individuellen Faktor zu handeln, der überwiegend durch den Anteil der Muskelmasse des Organismus bestimmt wird (90 - 95% des Energieverbrauchs des Grundumsatzes gegenüber 5 bis 10% für das Körperfett).
Beim Hund liegt der Anteil des Grundumsatzes am Gesamtenergieverbrauch ebenfalls im Bereich zwischen 55 und 70% (NRC, 2006), es werden aber rassespezifische Unterschiede festgestellt. So hat zum Beispiel der Labrador einen niedrigeren Grundumsatz als die Dogge oder der Spaniel. Auch die natürliche Alterung verringert den Grundumsatz beim Hund (Speakman et al., 2003). Deshalb wird empfohlen, die Energiezufuhr bei Hunden ab einem Alter von 7 Jahren in bestimmten Fällen um etwa 10 bis 15% zu reduzieren, wobei die Rationen natürlich stets dem körperlichen Zustand und dem Ernährungszustand des einzelnen Tieres angepasst werden müssen. Eine kalorienreduzierte Ernährung kann also nicht generell für alle älteren Hunde empfohlen werden.
Das notwendige Gleichgewicht zwischen Energiezufuhr und Energieverbrauch ist der Schlüsselpunkt der Problematik eines ausgeglichenen Energiehaushalts bei Hunden im Allgemeinen und bei adipösen Hunden im Besonderen. Die Schwierigkeiten bei der Einschätzung des Energieverbrauchs (also des Energiebedarfs) eines Hundes sind jedoch vielfältiger Natur.
Da ist zunächst die große Vielfalt innerhalb der Spezies Hund. Das Körpergewicht der unterschiedlichen Rassen variiert zwischen den Extremen von nur 1 kg bis über 100 kg. Die Problematik, den Energiebedarf sämtlicher Hunde mit Hilfe einer einzigen, einfachen Gleichung einzuschätzen, wird hier leicht verständlich. Gewissermaßen als Mittelwert setzt man deshalb einen Energiebedarf von 132 kcal /kg KG 0,75 an (NRC, 1974). Zur Vereinfachung wurde in einer ersten Annäherung vorgeschlagen, die Rassen nach ihrem Gewicht und ihrer Größe in vier Gruppen zu unterteilen: kleine Rassen, mittelgroße Rassen, große Rassen und Riesenrassen.
Hunde aus derselben Kategorie mit vergleichbarem Gewicht und vergleichbarer Größe können aber dennoch einen sehr unterschiedlichen Energiebedarf haben. Mögliche Gründe hierfür sind die Dicke des Fells, die Zusammensetzung des Körpers (Verhältnis fettfreie Körpermasse/ Körperfett) oder die Art der Selektion (zunächst Arbeitshund, später Selektion anhand von Kriterien wie Schönheit und Eignung als Gesellschaftshund). Die Zusammensetzung des Körpers ist in diesem Zusammenhang ein äußerst wichtiger Aspekt. Hunde mit größerer Muskelmasse haben einen höheren Energieverbrauch und sind weniger prädisponiert für Adipositas als Hunde mit höherem Körperfettanteil.
Eine unterschiedliche Rassezugehörigkeit kann den Energiebedarf stark beeinflussen, selbst bei identischem Körpergewicht und vergleichbaren Umweltbedingungen. So empfiehlt es sich, die allgemein empfohlenen Tagesrationen (NRC 1974) bei einem Neufundländer um etwa 10% zu kürzen. Dagegen muss die Ration für eine Dogge nicht selten um 40% erhöht werden, um das Körpergewicht zu halten. (© Royal Canin/J.-P. Lenfant - © Royal Canin/Renner).
Neben der Rassezugehörigkeit sind auch individuelle Faktoren genetischer oder nicht genetischer Natur für die große Vielfalt des Energiebedarfs bei Hunden verantwortlich. Bei gleicher Rassezugehörigkeit vergleichbarem Gewicht haben Rüden in der Regel einen etwas geringeren Körperfettanteil als Hündinnen und weisen deshalb einen höheren Energieverbrauch auf (Größenordnung 10%). Dieser letzte Punkt wird allerdings durchaus kontrovers diskutiert (Kienzle & Rainbird, 1991).
Wie bereits ausgeführt, hat die Kastration eine Absenkung des Energieverbrauchs zur Folge (Größenordnung 20 bis 30%) (Abbildung 3). Die natürliche Alterung des Tieres ist ein Beispiel für einen physiologischen Zustand, der zu einer Senkung des Energieverbrauchs durch eine Reduzierung des Grundumsatzes führen kann. Zu bedenken ist außerdem, dass sich mit zunehmendem Alter auch die Zusammensetzung des Körpers ändert. So nimmt der Anteil des Fettgewebes im Alter tendenziell auf Kosten der Muskelmasse zu.
Der Energieverbrauch im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität wurde beim Hund bisher nicht quantifiziert. Aus praktischer Sicht erscheint es unmöglich, präzise zu sagen, wie viele Kalorien ein Hund bei einer Stunde Spazierengehen, Rennen oder Jagen verbraucht. Bei Hunden, die vorwiegend in der Wohnung leben, also in einer thermisch neutralen Umgebung, ist der Energieverbrauch für die Thermoregulation kaum relevant.
Abbildung 3. Entwicklung des mittleren Körpergewichts bei Beaglen nach der Kastration (Jeusette et al., 2004a).
Bei Hunden, die vorwiegend in der Wohnung leben, also in einer thermisch neutralen Umgebung, ist der Energieverbrauch für die Thermoregulation kaum relevant. Der Effekt der Jahreszeiten ist deshalb weitgehend zu vernachlässigen. Dagegen haben Hunde, die bei schwankenden Außentemperaturen im Zwinger gehalten werden, einen höheren Energiebedarf für die Thermoregulation. In der Literatur ist die Quantifizierung dieses zusätzlichen Energiebedarfs allerdings umstritten. So geht zum Beispiel beim Deutschen Schäferhund eine Abweichung der Außentemperatur um 1°C mit einer Änderung des Energiebedarfs in einer Größenordnung von 1% einher (Manner, 1991). Andere Daten zeigen eine Erhöhung um 3 bis 5 kcal/kg KG 0,75 pro Tag und pro Grad unterhalb der thermisch neutralen Zone (NRC, 2006).
Die Einschätzung des Energieverbrauchs beim Hund ist also kein einfaches Unterfangen. Zwar verfügen wir heute zweifellos über umfangreiches Datenmaterial, dieses ist jedoch insgesamt noch lückenhaft und lässt sich nur schwer verallgemeinern. Aus praktischer Sicht beziehen wir die wichtigsten Informationen über den Energiebedarf eines Hundes aus der Überwachung seiner Gewichtsentwicklung und der Futteraufnahme, die das Aufrechthalten eines konstanten Gewichts erlaubt.
Die physiologische Regulation des Körpergewichts
In ihrem ursprünglichen Lebensraum sind wilde Kaniden im Allgemeinen körperlich sehr aktiv, und selbst bei reichlichem Nahrungsangebot kommen adipöse, adulte Tiere in der Natur nur äußerst selten vor. Die biologischen Regulationsmechanismen des Körpergewichts sind im gesamten Tierreich zu fin-den und scheinen einer Unterernährung sehr wirksam entgegenzuwirken.
Beim Haustier sind aufgrund seiner Lebensbedingungen vor allem die Mechanismen zur Regulation einer Überernährung von Bedeutung. Heute besitzen wir zunehmend mehr Kenntnisse über die hormonelle Regulation des Appetits, der Nahrungsaufnahme und des Energieverbrauchs. Insbesondere gilt dies für einige wichtige Faktoren wie das Leptin, das Ghrelin und das Adiponektin.
Leptin ist ein Zytokin, das von den Adipozyten gebildet und freigesetzt wird. Es wirkt als modulatorisches Signal für das Energiegleichgewicht, und zwar sowohl zentral (Hypothalamus) als auch peripher (u. a. Leber und Pankreas). Leptin scheint eine Schlüsselrolle bei der Regulation der Nahrungsaufnahme zu spielen. Nach seiner Entdeckung wurde das Leptin als "Wunderwaffe" für den Kampf gegen Adipositas gefeiert. Man hatte nämlich festgestellt, dass Leptininjektionen bei adipösen und bei normalgewichtigen Mäusen signifikante Verluste des Körpergewichts auslösten, und zwar ohne offensichtliche Nebenwirkungen. Es wurde jedoch gezeigt, dass bei adipösen Menschen und adipösen Hunden (Ishioka et al., 2002; Gayet et al., 2003a; Jeusette et al., 2003, 2004b) kein Leptinmangel besteht. Ganz im Gegenteil wird Leptin bei diesen beiden Spezies proportional zur Menge der Adipozyten gebildet, so dass der Leptinspiegel im Plasma bei adipösen Patienten höher ist als bei gesunden Individuen. Leptin steigert den Energieverbrauch bei normalgewichtigen Individuen, bei adipösen ist die Situation aufgrund eines Resistenzphänomens allerdings weniger eindeutig.
Auf der anderen Seite scheinen Insulin und zahlreiche andere Mediatoren eine Rolle bei der Regulation des Leptins zu spielen (Lonnqvist et al., 1999). Entsprechende klinische Studien am Menschen zeigen tendenziell, dass die Leptinkonzentration im Blut von der Insulinsekretion, der Zusammensetzung der Nahrung und von der körperlichen Bewegung abhängt (Koutsari et al., 2003). Der aus praktischer Sicht wichtigste Aspekt ist die Tatsache, dass Leptin den Appetit reduziert. Darüber hinaus wurde beobachtet, dass der Leptinspiegel im Blut bei Hunden in Phasen der Gewichtszunahme ansteigt (Gayet et al., 2003a, 2004b; Jeusette et al., 2004b).
Ghrelin (GH-releasing hormone) wurde von Kojima et al. (1999) entdeckt. Es stimuliert die Sekretion des Wachstumshormons (GH) und steigert die Nahrungsaufnahme bei Menschen und bei Nagern. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Ghrelinkonzentration bei adipösen Hunden geringer ist als bei gesunden Tieren (Jeusette et al., 2003, 2004b).
Adiponectin is a cytokine secreted exclusively by the adipose tissue. It affects carbohydrate homeostasis, sensitivity to insulin and probably energy homeostasis. It will act in synergy with leptin (Yamauchi et al., 2001). Its expression is reduced in obese and diabetic mice (Hu et al., 1996). It is also reduced by half in obese dogs compared with healthy dogs (Gayet et al., 2004b).
Adiponektin ist ein ausschließlich vom Fettgewebe freigesetztes Zytokin. Es beeinflusst die Kohlenhydrathomöostase, die Insulinsensibilität und wahrscheinlich auch die Energiehomöostase. Adiponektin wirkt synergistisch mit Leptin (Yamauchi et al., 2001). Bei Mäusen mit Adipositas oder Diabetes mellitus ist die Expression dieses Zytokins reduziert (Hu et al., 1996). Auch adipöse Hunde zeigen im Vergleich zu gesunden Hunden eine um 50% verringerte Expression von Adiponektin (Gayet et al., 2004b).
Unter den anderen regulatorischen Faktoren ist vor allem noch der TNF-α (Tumornekrosefaktor alpha) zu nennen. Dieses ursprünglich als proinflammatorisches Molekül identifizierte Zytokin spielt eine Rolle bei der Anorexie und bei der Tumorkachexie. Besonders hohe Konzentrationen werden im Fettgewebe von adipösen Tieren und Menschen gefunden. Die Expression und die Konzentrationen des TNF-α korrelieren beim Menschen positiv mit dem Grad der Adipositas und der Insulinresistenz (Hotamisligil et al., 1995). Dieser Zusammenhang konnte auch beim Hund nachgewiesen werden (Gayet et al., 2004a).
Neben den oben beschriebenen Mechanismen verdient auch die Aktivität von entkoppelnden Proteinen (uncoupling proteins oder UCP) besondere Beachtung. Diese Proteine gehören zu einer Familie von Transportproteinen, die an der inneren Membran der Mitochondrien sitzen und die Atmungskette von der ATP-Synthese entkoppeln, indem sie den mitochondrialen Protonengradienten auflösen. Die Aktivität dieser Proteine variiert im Rahmen der Thermoregulation und der postprandialen Thermogenese. Im Fettgewebe von Hunden mit Adipositas und Insulinresistenz ist die Expression des UCP-1 stark reduziert (Leray et al., 2003).
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass zahlreiche Faktoren, die an der Entwicklung der Adipositas bei Menschen und Nagern beteiligt sind, auch beim Hund eine Rolle spielen. Dabei handelt es sich sowohl um Faktoren, die den Appetit regulieren als auch um Faktoren, die den Energieverbrauch erhöhen.
- Leptin ist ein Protein, das den Energieverbrauch bei gesunden Individuen steigert.
- Ghrelin ist ein appetitsteigerndes Hormon, das hauptsächlich vom Magen und vom Duodenum sezerniert wird.
- Adiponektin wirkt synergistisch mit Leptin und wird vom Fettgewebe freigesetzt.
Die Dynamik der Gewichtszunahme
Trotz dieser Regulationsmechanismen kann eine positive Energiebilanz schließlich zu einer Gewichtszunahme führen, wenn sie ausreichend hochgradig ist oder über einen ausreichend langen Zeitraum anhält. Kontrovers diskutiert wird in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Dauer dieses Ungleichgewichts (Energiezufuhr > Energieverbrauch). Beim Menschen gibt es die Hypothese, dass sich Adipositas langsam als Folge eines lange anhaltenden (mehrere Jahre), aber eher geringgradigen Ungleichgewichts entwickelt. Kliniker unterscheiden in dieser Entwicklung drei Phasen:
- Eine statische Phase der Präadipositas, während der das Individuum einer überschüssigen Energiezufuhr ausgesetzt ist, das Gewicht aber konstant hält.
- Eine dynamische Phase, während der das Individuum an Gewicht zunimmt, und zwar hauptsächlich durch Vermehrung des Körperfetts, aber zum Teil auch durch Vermehrung der fettfreien Körpermasse, auch wenn sich dies nur durch eine geringe Zunahme des Blutvolumens äußert.
- Eine statische Phase, in deren Verlauf sich das Gleichgewicht zwischen Zufuhr und Verbrauch wieder neu einstellt, da die Nahrungsaufnahme reduziert wird. In diesem Stadium ist das Gewicht stark erhöht, der Grundumsatz ist jedoch relativ niedrig. Es hat sich ein neuer Gleichgewichtszustand eingestellt, und die Adipositas wird jetzt allgemein als "krankhaft" betrachtet (WHO, 1997).
Ab einem bestimmten Stadium der Adipositas kann die Nahrungsaufnahme zurückgehen, ohne dass der Hund abnimmt, da der Grundumsatz relativ gering ist. (© Faculty of veterinarian of Liège).
Diese Daten lassen sich nach einigen Modifikationen nahezu direkt auf den Gesellschaftshund übertragen. Hinsichtlich der Dauer des energetischen Ungleichgewichts müssen die Daten der Lebenserwartung des Hundes und der praktischen Situation angepasst werden. Übergewicht kann sich sehr schnell entwickeln, das heißt innerhalb von nur wenigen Wochen oder Monaten. Eine besonders schnelle Gewichtszunahme kann bei Hündinnen in den auf eine Kastration folgenden Wochen zu beobachten sein. Eine ad-libitum-Fütterung im Wachstum kann bei Hunden im Alter von unter acht Monaten ein sehr hochgradiges Übergewicht hervorrufen.
Die oben diskutierte präadipöse Phase wird beim Hund nicht beobachtet. Dagegen werden die dynamische und die statische Phase sehr ausführlich beschrieben (Abbildung 4). Die dynamische Phase kann linear oder aber in Stufen verlaufen. In der statischen Phase ist das Gewicht stabil, und der Appetit kann normal oder vermindert sein. Dies erklärt, warum wir in der Praxis immer wieder adipöse Hunde vorgestellt bekommen, die nach Angaben der Besitzer "eigentlich gar nicht so viel fressen". Klar ist jedoch, dass die Energiezufuhr bei diesen Hunden in einer bestimmten Phase ihres Lebens höher gewesen sein muss als der Energieverbrauch, und dies möglicherweise bereits vor mehreren Jahren. Sind solche Tiere erst einmal "stabilisiert", haben sie einen relativ geringen Energiebedarf, und dies umso mehr, als ihre körperliche Aktivität in diesem Stadium oftmals sehr begrenzt ist.
Qualität der Nahrung
Verschiedene Studien bei Menschen und bei Labortieren zeigen, dass diätetische Faktoren, und zwar insbesondere die Energiezufuhr und die zugeführte Fettmenge, sehr eng mit dem Übergewicht korrelieren.
Abbildung 4. Gewichtsentwicklung bei drei Fettreich ernährten Beaglen.
Energiezufuhr und Makronährstoffe
Beim Hund erfolgt die Berechnung der Energiezufuhr auf der Grundlage der chemischen Zusammensetzung des Futtermittels. Fette sind die mit Abstand energiereichsten Makronährstoffe. Eine Überversorgung mit fettreichen Nahrungsmitteln ist deshalb ein ganz wesentlicher Faktor für die Entstehung von Adipositas. Außerdem ist die Anreicherung von Futtermitteln mit Fett ein beliebtes Mittel, um die Akzeptanz und die Energiekonzentration zu erhöhen.
Hinsichtlich der metabolisierbaren Energie sind diätetische Kohlenhydrate und Proteine gleichwertig. Berechnet man aber die Nettoenergie, so haben Proteine einen geringeren Energiewert (Tabelle 7) (Rubner, 1902). Neben der spezifischen Wirkung bestimmter Aminosäuren (Lysin, Phenylalanin, Leucin) ist dies einer der Gründe, weshalb Proteine eine bessere sättigende Wirkung haben als Kohlenhydrate. Da es sich bei Hunden um Karnivoren handelt, ist dies zumindest teilweise eine Erklärung für die geringe Adipositasanfälligkeit wild lebender Kaniden.
Die verdaulichen Kohlenhydrate führen im Wesentlichen alle dieselbe Energiemenge zu, sie haben aber unterschiedliche metabolische Effekte, insbesondere auf die Insulinsekretion. Dieser Punkt wird später näher erläutert.
Aus theoretischer Sicht sollte eine simple mathematische Anpassung der Energiezufuhr an den Energieverbrauch ausreichen, um der Entstehung von Adipositas beim Hund vorzubeugen. Weil man hierbei mit der metabolisierbaren Energie rechnet, hieße dies jedoch zu ignorieren, dass in bestimmten Fällen die einfache Modifikation der chemischen Zusammensetzung des Futtermittels, ohne dabei die Gesamtenergiezufuhr zu verändern, Veränderungen der Körperzusammensetzung und des Grundumsatzes hervorrufen kann. Dieser letzte Punkt wurde inzwischen auch beim Hund nachgewiesen und gilt in der Ernährung des Menschen als unumstritten (Bouché et al., 2002).
Diagnose und Beurteilung der Adipositas
Eine der wichtigsten Aufgaben, die sich dem praktischen Tierarzt stellt, ist die Beurteilung des Adipositasgrades in den zahlreichen Fällen, in denen das Idealgewicht des Hundes unbekannt ist. In der Humanmedizin berechnet man ein Idealgewichtsintervall in Abhängigkeit von der Körpergröße mit Hilfe des BMI (Body Mass Index), der das Verhältnis des Gewichts zum Quadrat der Größe ausdrückt. Der Arzt verfügt also über einen Referenz-BMI. Solche Indizes stehen für unsere domestizierten Karnivoren leider nicht zur Verfügung, und die verschiedenen Versuche morphometrischer Messungen haben sich in Anbetracht der großen Vielfalt der Hunderassen als wenig schlüssig erwiesen. In der Veterinärmedizin werden deshalb andere, weniger standardisierte Methoden vorgeschlagen.
Das Körpergewicht
Die simpelste Methode ist sicherlich die Beurteilung des Körpergewichts. Es ist zwar in der Regel sehr einfach, einen Hund zu wiegen, aber die bloße Messung seines Gewichts reicht keineswegs aus, um den Grad und die Bedeutung seines Übergewichts näher beurteilen zu können. Ohne Bezug zu seinem Idealgewicht hat diese Maßnahme also nur wenig Sinn. Auch wenn bei reinrassigen Hunden ein Vergleich mit den Rassestandards möglich ist, sind auch diese Daten letztlich nicht zufrieden stellend, denn der individuelle Körperbau und die individuelle Größe des einzelnen Tieres können einen starken Einfluss auf das Körpergewicht haben (Tabelle 8).
Bei jedem Tierarztbesuch muss der Hund gewogen und die Daten müssen in der Kartei gespeichert werden. Zur Festlegung der Tagesrationen für ein adipöses Tier ist es unerlässlich, das Idealgewicht zu kennen oder möglichst genau zu schätzen. Dieser Punkt ist eine entscheidende Voraussetzung für die Verordnung angepasster Rationen, die zu einer erfolgreichen Gewichtsreduktion führen sollen.
Morphometrische Messungen
Mit Hilfe morphometrischer Techniken, also der Kombination von Daten der Statur und des Körpergewichts, kann die Zusammensetzung des Körpers beurteilt werden. Die Morphometrie, also die Messung der äußeren Form, bewertet bestimmte Körperregionen und Änderungen ihrer Ausmaße, indem sie sie mit Modifikationen der Körperzusammensetzung in Beziehung setzt. Zu den beim Hund eingesetzten morphometrischen Techniken gehören die Bestimmung des so genannten Körperindex (BCS = Body Condition Scoring) sowie Methoden, die Messungen verschiedener Körperparameter wie Längen und Umfänge kombinieren.
Eine massive Fettablagerung entlang der Wirbelsäule und an der Rutenbasis gehört zu den wichtigsten Beurteilungskriterien der Adipositas.
Tabelle 8a - Geschlechtsabhängige Variation des Referenzgewichts bei verschiedenen kleinen Hunderassen | ||
Kleine Rassen | Mittleres Gewicht bei Rüden (kg) | Mittleres Gewicht bei Hündinnen (kg) |
Chihuahua | 2.0 ± 0.6 | 1.5 ± 0.4 |
Yorkshire Terrier | 2.6 ± 0.5 | 2.3 ± 0.5 |
Zwergspitz | 3.6 ± 0.8 | 2.5 ± 0.6 |
Italienischer Windhund | 4.1 ± 0.5 | 4.6 ± 0.1 |
Shi Tzu | 5.8 ± 1.3 | 5.0 ± 0.8 |
Zwergpudel | 5.8 ± 1.4 | 5.0 ± 0.8 |
West Highland White Terrier | 7.5 ± 1.2 | 6.9 ± 0.6 |
Cairn Terrier | 8.1 ± 0.2 | 7.4 ± 1.2 |
Cavalier King Charles | 8.7 ± 1.5 | 7.0 ± 1.1 |
Standardteckel | 9.2 ± 1.2 | 7.5 ± 1.8 |
Messungen bei 184 Rüden und 221 Hündinnen kleiner Rassen. |
Cavalier King Charles Spaniel - Welpen (© Renner).
Tabelle 8b - Geschlechtsabhängige Variation des Referenzgewichts bei verschiedenen mittelgroßen Hunderassen | ||
Mittelgroße Rassen | Mittleres Gewicht bei Rüden (kg) | Mittleres Gewicht bei Hündinnen (kg) |
Pyrenäenhund | 12.8 ± 2.8 | 13.4 ± 3.8 |
Französische Bulldogge | 13.0 ± 1.6 | 11.3 ± 1.9 |
Englischer Cocker Spaniel | 13.0 ± 2.3 | 11.8 ± 1.0 |
Whippet | 13.9 ± 1.1 | 11.7 ± 0.7 |
Epagneul Breton | 17.9 ± 2.2 | 15.5 ± 1.5 |
Staffordshire Bullterrier | 24.0 ± 1.1 | 21.0 ± 1.4 |
Englische Bulldogge | 26.0 ± 4.3 | 22.4 ± 3.6 |
Collie | 23.9 ± 0.5 | 19.8 ± 2.0 |
Sibirischer Husky | 24.0 ± 0.9 | 18.5 ± 1.0 |
Shar Pei | 24.9 ± 1.7 | 18.4 ± 0.6 |
Messungen bei 98 Rüden und 99 Hündinnen mittelgroßer Rassen. |
Englische Bulldogge - Welpen (© Lanceau).
Tabelle 8c - Geschlechtsabhängige Variation des Referenzgewichts bei verschiedenen großen Hunderassen | ||
Große Rassen | Mittleres Gewicht bei Rüden (kg) | Mittleres Gewicht bei Hündinnen (kg) |
Irischer Setter | 26.1 ± 1.9 | 25.5 ± 4.5 |
Belgischer Schäferhund | 27.1 ± 4.5 | 23.2 ± 2.0 |
Dt. Kurzhaar, Drahthaar etc. | 28.5 ± 0.9 | 24.6 ± 2.3 |
Französischer Spaniel | 29.4 ± 2.1 | 26.3 ± 3.6 |
Weimaraner | 33.6 ± 3.7 | 30.5 ± 4.3 |
Golden Retriever | 33.7 ± 3.4 | 30.4 ± 3.6 |
Boxer | 33.9 ± 3.5 | 28.8 ± 2.4 |
Labrador | 35.5 ± 4.5 | 30.7 ± 3.4 |
Deutscher Schäferhund | 35.9 ± 3.6 | 28.4 ± 2.7 |
Dobermann | 39.0 ± 5.5 | 28.50 ± 5.0 |
Messungen bei 530 Rüden und 488 Hündinnen großer Rassen. |
Labradorwelpen (© Hermeline/Doxicat).
Tabelle 8d - Geschlechtsabhängige Variation des Referenzgewichts bei verschiedenen Riesenrassen | ||
Riesenrassen | Mittleres Gewicht bei Rüden (kg) | Mittleres Gewicht bei Hündinnen (kg) |
Rottweiler | 46.8 ± 4.8 | 39.7 ± 4.9 |
Berner Sennenhund | 59.9 ± 6.9 | 43.3 ± 6.5 |
Leonberger | 57.0 ± 6.4 | 49.9 ± 6.8 |
Bordeaux-Dogge | 58.6 ± 7.3 | 46.8 ± 7.5 |
Bullmastiff | 58.8 ± 7.5 | 47.7 ± 6.4 |
Irischer Wolfshund | 63.1 ± 1.4 | 54.3 ± 4.9 |
Neufundländer | 63.5 ± 6.2 | 51.1 ± 8.6 |
Dogge | 70.5 ± 8.2 | 56.6 ± 7.1 |
Bernhardiner | 81.5 ± 7.2 | 61.0 ± 8.9 |
Mastiff | 87.0 ± 10.5 | 71.6 ± 9.2 |
Messungen bei 580 Rüden und 628 Hündinnen der Riesenrassen. |
Berner Sennenhund - Welpen (© Renner King).
Die Bestimmung des Körperindex ist eine semiquantitative, subjektive Beurteilungsmethode, die eine Bewertung sichtbarer Kriterien und eine Palpation bestimmter Körperregionen kombiniert. Die Beurteilung erfolgt anhand von einfachen Kriterien: Grad und Lokalisation von Fettablagerungen, Sichtbarkeit von Knochenstrukturen und Adspektion der Silhouette ("Figur") des Tieres. Auf dieser Grundlage werden mehrere, unterschiedlich abgestufte Körperindizes vorgeschlagen:
- Abstufung in 3 Punkten: 1 = mager, 2 = ideal, 3 = übergewichtig
- Abstufung in 5 Punkten: 1 = mager, 2 = schlank, 3 = ideal, 4 = übergewichtig, 5 = adipös (Edney & Smith, 1986) (Table 9)
- oder sogar Abstufung in 9 Punkten: 1 bis 4 = ausgezehrt bis schlank; 5 = ideal; 6 bis 9 = zunehmend übergewichtig (Laflamme, 1993; Laflamme et al., 1994a).
Tiere mit einem dem Idealgewicht entsprechenden Index im mittleren Bereich haben einen Körperfettanteil von etwa 13%. Bei Verwendung des neunstufigen Körperindex, steigt der Körperfettanteil mit jeder Stufe um 9% (Mawby et al., 2000). Folglich hat ein Tier mit einem Körperindex von 9, einem Zustand also, der als krankhafte Adipositas bewertet werden muss, einen Körperfettanteil von über 40%. Diese Indexsysteme haben den Vorteil, dass sie für den Tierarzt sehr einfach anzuwenden sind und sich augenscheinlich keineswegs nur auf die Diagnose der Adipositas beschränken, sondern sich auch im Rahmen ihrer aktiven Prävention einsetzen lassen. So empfiehlt es sich, das Tier anlässlich jeder Routineuntersuchung zu wiegen und einen aktuellen Index zu bestimmen.
Der Übergang von einer fünfstufigen Skala zu einer neunstufigen Skala erfolgt einfach, indem man die fünfstufige Skala durch Zwischenstufen ergänzt. Der Körperindex dieser Beaglehündin liegt bei 4,5/5 oder 8/9. (© I. Jeusette)
Tabelle 9 - Fünfstufiger Körperindex | ||
Bezeichnung | Hund | |
1. Kachexie mehr als 20% unter dem Idealgewicht. | - Rippen, Wirbelsäule und Beckenknochen leicht sichtbar (Kurzhaar) - Deutlicher Verlust an Muskelmasse - Kein palpierbares Fettgewebe am Brustkorb | |
2. Mager 10 bis 20% unter dem Idealgewicht | - Rippen, Wirbelfortsätze und Beckenknochen sichtbar - Deutliche Taille - Kein palpierbares Fettgewebe am Brustkorb | |
3. Idealgewicht | - Rippen und Wirbelsäule nicht sichtbar, aber leicht palpierbar - Deutliche Taille - Dünne Fettgewebsschicht am Brustkorb palpierbar | |
4. Übergewicht 10 bis 20% über dem Idealgewicht | - Rippen und Wirbelsäule schwierig zu palpieren - Keine Taille - Deutliche Fettablagerungen entlang der Wirbelsäule und am Rutenansatz | |
5. Krankhafte Adipositas ab 40% über dem Idealgewicht | - Massive Fettablagerungen am Brustkorb, entlang der Wirbelsäule und am Rutenansatz - Deutliche Umfangsvermehrung des Abdomens | |
Das Übergewicht steigt oberhalb der Indexstufe 3 mit jeder halben Stufe um 10%, Ein Hund mit dem Index 4,5 hat also ein Übergewicht von 30%. |
The measures of the various circumferences - thoracic and pelvic for example - and their use in the equation systems do not enable any appreciation of the fat mass due to morphological differences between individuals. They are however a good way of monitoring the weight loss in a given dog. The various body measures do require experience from the practitioner, as well as the cooperation of the animal (Burkholder, 2000).
Ultraschallmessungen
Ultrasound has been used to measure the thickness of the subcutaneous fat layer in dogs (Anderson & Corbin, 1982; Morooka et al., 2001). Combining this technology with others may be a good way to localize the main fat deposits and understand the mechanisms that drive the development of obesity (Morooka et al., 2001). Furthermore, this technology is relatively simple and non-invasive; it is useful in the clinic provided good equipment is available. Its field of application is narrow however - it can only be used to evaluate subcutaneous fat. Several body regions have been tested, including the middle of the lumbar region and the L6 and L7 lumber or S1 sacral apophyses. The problem is reproductibility: it is necessary to shave the hair, standardize the animal's position and the pressure of the sound probe, and use objective benchmarks. The use of ultrasound in two dimensions helps improve the technique and obtain more precise figures (Morooka et al., 2001).
Mit Hilfe von Ultraschall wurde die Dicke der subkutanen Fettschicht beim Hund gemessen (Anderson & Corbin, 1982; Morooka et al., 2001). Die Kombination dieser Technik mit anderen Verfahren kann sich bei der Lokalisierung der wichtigsten Fettdepots als sehr nützlich erweisen und das Verständnis der Entstehungsmechanismen der Adipositas fördern (Morooka et al., 2001). Zudem handelt es sich um eine relativ einfache, nicht-invasive Technik, deren Anwendung in der Praxis durchaus sinnvoll ist, vorausgesetzt, die entsprechende technische Ausrüstung steht zur Verfügung. Das Anwendungsgebiet ist allerdings auf die Beurteilung des subkutanen Fettgewebes begrenzt. Mehrere Messpunkte wurden definiert, unter anderem die Mitte der Lendenregion oder die Dorn- und Querfortsätze der Lendenwirbel L6 und L7 oder der Kreuzwirbel (S1). Die Problematik des Verfahrens liegt in der Reproduzierbarkeit der Resultate. Hierfür muss die Haut rasiert werden, die Position des Tieres und der Sondendruck müssen standardisiert sein und es müssen objektive Bezugspunkte verwendet werden. Durch den Einsatz der zweidimensionalen Sonographie lässt sich das Verfahren verbessern, und man erhält genauere Messwerte (Morooka et al., 2001).
DEXA
Mit Hilfe der DEXA (Dual Energy X-ray Absorptiometry) (Munday et al., 1994) können Art und Umfang des Gewebes in den untersuchten Regionen des Organismus differenziert werden. Auf diese Weise lässt sich zum Beispiel die Entwicklung der Körperzusammensetzung des Hundes im Verlauf einer Gewichtsreduktionsperiode unter experimentellen Bedingungen überwachen. Voraussetzung für diese Untersuchung ist jedoch eine ausreichende Sedierung des Patienten. Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf die mineralisierte Knochenmasse, das Fettgewebe und die fettfreie Körpermasse zu (Abbildung 5).
Abbildung 5. Bilder (aufgenommen mit dem dexa-verfahren) eines 4,5 jahre alten kastrierten Labradorrüden vor (t0 ) und 5 Monate nach (t+5 ) Beginn einer Reduktionsdiät (© Alex German).
Die schweren Isotope
Das fettfreie Körpergewebe besteht überwiegend aus Körperflüssigkeit, durch deren Messung folglich indirekt die fettfreie Körpermasse bestimmt werden kann. Die Menge der Gesamtkörperflüssigkeit kann durch Bestimmung der Verdünnung von Deuteriumoxid (D2O) oder von O18 -angereichertem Wasser geschätzt werden. Das Körperfettgewebe und sein prozentualer Anteil lassen sich schließlich durch Subtraktion berechnen. Deuterium und O18 sind zwei hervorragende, nicht-radioaktive und in niedrigen Dosierungen nichttoxische Tracer. Diese Methode erfordert eine erste Blutentnahme vor der subkutanen Injektion des Tracers und eine zweite 4 bis 5 Stunden später. Sie kann in der Praxis eingesetzt werden, um den prozentualen Anteil des Fettgewebes adipöser Hunde zu schätzen, vorausgesetzt, die Messtechnik steht zur Verfügung (Massenspektrometrie). Diese sehr gering invasive Methode wurde beim Hund validiert (Pouteau et al., 1998; Son et al., 1998).
T0 | T+5 | |
Gewicht (kg) | 45.90 kg | 37.10 kg |
Körperfett, gesamt (kg) | 20.45 (45.4%) | 12.72 (35.1%) |
Fettfreie Körpermasse, gesamt (kg) | 23.14 (54.6%) | 22.18 (64.9%) |
Gewichtsverlust, gesamt = 8,8 kg (19,2 % des Ausgangsgewichts) | ||
Der Gewichtsverlust verteilt sich zu 87% auf das Körperfett (7,7 kg absolut) und zu 13% auf die fettfreie Körpermasse (1,12 kg absolut). Der Anteil des Körperfetts zum Zeitpunkt T+5 ist immer noch erhöht (35%), entspricht aber durchaus den rassetypischen physiologischen Werten. |
Bioelektrische Impedanz
Beim Menschen ist die Messung der bioelektrischen Impedanz ein einfaches, nicht-invasives, schnelles, ambulantes und gut reproduzierbares Verfahren zur Untersuchung der Körperzusammensetzung. Vor kurzem wurde diese Methode auch bei der Katze getestet (Elliott et al., 2002a, 2002b).
Die drei letztgenannten Methoden werden seit kurzem bei Karnivoren angewendet und liefern gut korrelierende Ergebnisse (Son et al., 1998). Sicherlich eignen sie sich besser für wissenschaftlich Untersuchungen als für die klinische Praxis, sie eröffnen aber dennoch interessante Perspektiven für den Vergleich der verschiedenen auf dem Markt angebotenen kalorienreduzierten Fertigfuttermittel (Diez et al., 2002).
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Affiliation of the authors at the time of publication
1Department of Animal Productions, Faculty of Veterinary Medicine, University of Liège, Liège, Belgium.
2ENVN Atlanpôle, La Chantrerie, Nantes, France.
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